Hüftdysplasie – PAO oder Kurzschaftprothese?

ENDOPROTHETICUM Rhein-Main / Prof. Dr. med. K.P. Kutzner

PAO oder Kurzschaftprothese: welche Kriterien die Wahl beeinflussen

Die Hüftdysplasie, eine angeborene oder frühkindliche Fehlentwicklung des Hüftgelenks, stellt sowohl Patient:innen als auch Behandelnde vor komplexe Entscheidungen. Zwei gängige Therapieansätze, die periazetabuläre Osteotomie (PAO) und die Implantation einer Kurzschaftprothese, bieten unterschiedliche Vorteile und Herausforderungen. Dieser Beitrag beleuchtet die Indikationskriterien, Vor- und Nachteile sowie die geeigneten Patientengruppen für diese Methoden.


Was ist eine Hüftdysplasie?

Hüftdysplasie ist eine Fehlbildung der Hüftpfanne (Acetabulum), bei der die Gelenkpfanne den Oberschenkelkopf nicht ausreichend überdeckt. Dadurch entstehen Instabilitäten und ein erhöhtes Risiko für Arthrose. Typische Symptome umfassen Schmerzen in der Leiste mit Ausstrahlung in den Oberschenkel, das Knie und in den unteren Rücken. Im fortgeschrittenen Stadium kommt es zunehmend zu schmerzhaften Bewegungseinschränkungen.


Periazetabuläre Osteotomie (PAO)

Definition und Zielsetzung

Die periazetabuläre Osteotomie (PAO) ist ein chirurgisches Verfahren zur Behandlung der Hüftdysplasie, das darauf abzielt, die natürliche Gelenkfunktion durch Umformung des Beckenknochens zu erhalten. Der Eingriff wurde von Professor Reinhold Ganz entwickelt und zeichnet sich durch seine gelenkerhaltende Philosophie aus.

Ablauf des Verfahrens

Während der PAO wird der knöcherne Pfannenteil des Beckens in der Nähe des Hüftgelenks an drei Stellen in mehreren Schritten kontrolliert durchtrennt. Anschließend wird die Hüftpfanne in eine optimalere Position ausgerichtet, sodass der Oberschenkelkopf besser abgedeckt ist. Zur Stabilisierung der neuen Pfannenstellung kommen metallische Schrauben zum Einsatz, die in der Regel im Körper verbleiben können.

Ziel der PAO

  • Verbesserte Biomechanik: Durch die bessere Ausrichtung des Gelenks wird die Belastung gleichmäßiger verteilt, was die Abnutzung reduziert.
  • Arthrose-Prävention: Die anatomische Korrektur kann das Fortschreiten einer bereits beginnenden Arthrose verlangsamen oder stoppen.
  • Erhalt des natürlichen Gelenks: Anders als bei der Implantation einer Prothese bleibt das eigene Hüftgelenk erhalten.

Indikationskriterien

Die PAO eignet sich insbesondere für:

  • Jüngere Patient:innen (15-40 Jahre) mit stabilen Knorpelverhältnissen.
  • Geringe bis moderate Arthrose: Die Methode ist nicht geeignet, wenn bereits starke Verschleißerscheinungen vorliegen.
  • Ausreichende knöcherne Struktur: Ein starker und gesunder Becken- und Hüftknochen ist Voraussetzung für den Erfolg der Operation.

Vorteile der PAO

  • Gelenkerhaltend: Vermeidung eines endoprothetischen Ersatzes.
  • Langlebigkeit: Strebt eine langfristige Reduktion des Arthroserisikos an.

Nachteile der PAO

  • Lange Rehabilitation: Belastung nur schrittweise möglich.
  • Technische Komplexität: Hoher Anspruch an den Operateur.
  • Alterseinschränkung: Weniger geeignet bei älteren Patient:innen oder fortgeschrittener Arthrose.
  • Erschwerte Implantation einer späteren Hüftprothese: Sollte zu einem späteren Zeitpunkt eine endoprothetische Versorgung notwendig werden, kann die zuvor durchgeführte PAO die Anatomie des Hüftgelenks derart verändern, dass die Prothesenimplantation technisch schwieriger und mit einem höheren Komplikationsrisiko verbunden ist.

Nachbehandlung

  1. Belastungsaufbau: Initial ist nur Teilbelastung (ca. 20-30 kg) erlaubt. Die volle Belastbarkeit wird schrittweise über Wochen oder Monate erreicht.
  2. Physiotherapie: Intensive Mobilisierung zur Wiederherstellung der Gelenkfunktion.
  3. Langfristige Kontrolle: Regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen, um den Behandlungserfolg sicherzustellen.


Kurzschaftprothese

Definition und Zielsetzung

Die Kurzschaftprothese ist eine moderne Form der Endoprothetik, bei der der Oberschenkelhals weitgehend erhalten bleibt. Sie wird bei degenerativen Veränderungen der Hüfte eingesetzt und bietet eine knochensparende Alternative zur Standardprothese.

Indikationskriterien

Eine Kurzschaftprothese eignet sich für Patient:innen, bei denen:

  • Bereits bestehende Arthrose oder andere degenerative Veränderungen vorliegen.
  • Der Wunsch nach schneller Genesung und Mobilität besteht.

Vorteile der Kurzschaftprothese

  • Knochensparend: Erhält den Oberschenkelhals.
  • Schnelle Rehabilitation: Vollbelastung oft frühzeitig möglich.
  • Hohe Erfolgsrate: Moderne Kurzschaftprothesen zeigen eine beeindruckende Haltbarkeit. Studien legen nahe, dass solche Prothesen bei richtiger Indikationsstellung heute 30 Jahre oder länger ohne Probleme halten können. Dies bedeutet, dass die Notwendigkeit einer Wechseloperation drastisch gesunken ist.

Nachteile der Kurzschaftprothese

  • Implantatverschleiß: Trotz moderner Materialien bleibt eine Lockerung langfristig theoretisch möglich.
  • Keine gelenkerhaltende Option: Der natürliche Hüftkopf wird entfernt.
  • Lebensdauer: Kann je nach Belastung begrenzt sein.

Nachbehandlung

  • Mobilisation meist ab dem ersten postoperativen Tag.
  • Kontinuierliche Physiotherapie für optimale Beweglichkeit und Muskelaufbau.


Vergleich der beiden Verfahren

Alter und Knorpelstatus

  • Jüngere Patient:innen (< 40 Jahre): Gelenkerhalt durch PAO empfohlen.
  • Ältere Patient:innen (> 60 Jahre): Kurzschaftprothese aufgrund degenerativer Veränderungen sinnvoller.

Berufliche und familiäre Belastungen

  • Körperliche Berufe: Kurzschaftprothese erlaubt schnellere Belastbarkeit.
  • Wenig belastende Tätigkeiten: PAO kann langfristige Vorteile bieten.

Nachbehandlungsdauer

  • PAO: Längere Rehabilitation mit Teilbelastung.
  • Kurzschaftprothese: Frühe Vollbelastung möglich.

Vorbestehende Arthrose

  • Geringe oder keine Arthrose: PAO kann gute Ergebnisse zeigen.
  • Fortgeschrittene Arthrose: Kurzschaftprothese eindeutig bevorzugt.


Moderne Entwicklungen der Kurzschaftprothetik

Die Hüftendoprothetik hat in den letzten Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht. Insbesondere Kurzschaftprothesen überzeugen durch innovative Design- und Materialentwicklungen wie hochmoderne Gleitpaarungen, die extrem geringe Abriebwerte aufweisen. Diese Entwicklungen minimieren das Risiko für Implantatlockerungen und sorgen für eine Lebensdauer von bis zu 30 Jahren oder mehr. Auch ist der Eingriff heute minimal-invasiv möglich mit hervorragenden Ergebnissen hinsichtlich der Aktivität der Patient:innen. Aufgrund dieser Erfolgsrate verschiebt sich die Entscheidungsfindung bei vielen Patient:innen immer häufiger zugunsten der Kurzschaftprothese, selbst bei jüngeren Patient:innen.


Fazit

Die Wahl zwischen PAO und Kurzschaftprothese hängt von einer Vielzahl individueller Faktoren ab. Während die PAO sich für jüngere, aktive Patient:innen mit erhaltenem Knorpel eignet, ist die Kurzschaftprothese bei älteren Patient:innen mit degenerativen Veränderungen die bessere Wahl. Beide Verfahren haben ihre Berechtigung und sollten unter Einbeziehung der individuellen Lebenssituation, beruflichen Anforderungen und des Gesundheitszustands sorgfältig abgewogen werden. Die Entscheidung zählt mitunter zu den schwierigsten im Fachgebiet. Mit den modernen Fortschritten in der Endoprothetik hat die Kurzschaftprothese jedoch einen bemerkenswert hohen Stellenwert erlangt, da sie eine Kombination aus Langlebigkeit, knochensparendem Design und einer schnelleren Rehabilitation bietet. 

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