Schweres Heben nach Hüftprothese verboten? – Hier sind die Fakten!

ENDOPROTHETICUM Rhein-Main / Prof. Dr. med. K.P. Kutzner

Ist schweres Heben nach Hüftprothese wirklich nicht erlaubt?

Von alten Verboten zur modernen Hüftendoprothetik

Wer eine Hüftprothese bekommen hat, kennt die typischen Sätze, die Patient:innen früher schon am ersten Tag nach der Operation gehört haben:
„Nicht über 90 Grad beugen, nicht schwer heben, Beine nicht kreuzen, keine ruckartigen Bewegungen.“

Diese Verbote waren jahrzehntelang fester Bestandteil jeder Reha-Anweisung nach einer Hüft-OP. Der Grund: Angst vor einer Luxation (Ausrenkung des künstlichen Gelenkes) und vor einer vorzeitigen Abnutzung oder Lockerung der Prothese.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Durch minimal-invasive Operationstechniken, verbesserte Implantatdesigns, moderne Gleitpaarungen und ein tieferes Verständnis für die Belastbarkeit von Prothesen ist vieles, was früher galt, heute schlicht überholt. Auch das Heben von schweren Gegenständen ist – unter bestimmten Voraussetzungen – wieder möglich.

In diesem Artikel erfährst du:

  • Woher die strengen Verbote nach einer Hüft-OP ursprünglich kamen
  • Wie moderne Implantate und OP-Techniken das Risiko minimiert haben
  • Was beim Heben in den ersten Wochen nach einer Hüftprothese zu beachten ist
  • Wie viel Gewicht heute realistisch und sicher gehoben werden kann
  • Praktische Tipps für den Alltag und den Schutz von Hüfte und Rücken

1. Historische Regeln nach einer Hüftprothese – und ihre Hintergründe

Bis weit ins späte 20. Jahrhundert hinein wurden Patient:innen nach einer Hüft-OP mit einer langen Liste von Verhaltensregeln entlassen. Die wichtigsten waren:

  1. Nicht schwer heben – oft hieß es: maximal 2–5 kg, lebenslang.
  2. Nicht über 90 Grad beugen – also z. B. nicht tief sitzen oder Schuhe im Sitzen binden.
  3. Beine nicht kreuzen – um Verdrehungen im Hüftgelenk zu vermeiden.
  4. Keine ruckartigen Drehbewegungen – z. B. beim Sport oder beim Umdrehen im Stehen.

Der Hintergrund dieser strengen Verbote lag vor allem in den damaligen medizinischen Rahmenbedingungen:

  • Große, offene Operationszugänge: Dabei wurden Muskeln und Sehnen teilweise abgelöst, um an die Hüfte zu gelangen. Das führte zu einer längeren Heilungszeit und geringerer Stabilität in den ersten Monaten.
  • Kleinere Prothesenköpfe: Ältere Implantate hatten deutlich kleinere Gelenkköpfe (z. B. 22 mm oder 28 mm Durchmesser) als heute. Dadurch war der Hebelarm kürzer, und das Risiko für eine Luxation deutlich höher.
  • Einfachere Gleitpaarungen: Polyethylen mit niedriger Vernetzung verschliss schneller, sodass man Überbelastung möglichst vermeiden wollte.
  • Weniger Erfahrung mit Frühbelastung: Damals setzte man auf sehr lange Schonzeiten, da die Langzeitergebnisse von Belastung kaum erforscht waren.

2. Moderne Hüftendoprothetik – warum vieles heute anders ist

In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die Hüft-OP massiv verändert. Heute gilt: Viele der alten Verbote sind überholt. Grund dafür sind vor allem:

2.1 Minimal-invasive Zugänge

  • Muskelschonende Operationstechniken wie der anterolaterale oder direkt-anteriorer Zugang vermeiden weitgehend das Ablösen wichtiger Muskeln.
  • Das bedeutet: mehr Stabilität sofort nach der OP und ein deutlich geringeres Luxationsrisiko.

2.2 Kurzschaftprothesen

  • Kürzere Verankerung im Oberschenkelknochen, anatomisch geformt.
  • Geringere Hebelwirkung und physiologischere Kraftübertragung.
  • Besonders geeignet für jüngere, aktive Patient:innen.

2.3 Moderne Gleitpaarungen und Materialien

  • Keramik-Keramik, Keramik-Polyethylen oder Metall-Keramik-Kombinationen mit hochvernetztem Polyethylen haben extrem geringe Abriebraten.
  • Oxidationsbeständige Oberflächen sorgen dafür, dass auch bei höherer Belastung kaum Abrieb entsteht.

2.4 Größere Prothesenköpfe

  • Heute meist 32 mm, 36 mm oder sogar 40 mm Durchmesser.
  • Das erhöht die Luxationssicherheit erheblich.

Fazit: Dank dieser Entwicklungen können Patient:innen heute wesentlich früher und sicherer wieder aktiv werden – auch was das Heben betrifft.

3. Wieviel Kg darf ich nach Hüftprothese heben?

Früher war das Heben schwerer Lasten nach einer Hüft-OP ein klares Verbot. Heute gilt: Ja, schweres Heben ist möglich – aber zeitlich gestaffelt und abhängig von der individuellen Heilung.

3.1 Die kritische Einheilungsphase (erste 6–8 Wochen)

  • Die meisten modernen Hüftprothesen werden zementfrei implantiert.
  • In den ersten Wochen muss das Implantat in den Knochen einwachsen (Osseointegration).
  • Übermäßige Belastung kann in dieser Phase zu einer Lockerung führen.

Empfehlung für die ersten Wochen:

  • 0–4 Wochen: Maximal 5 kg pro Hand (z. B. ein voller Wasserkasten ist zu viel).
  • 4–8 Wochen: Bis zu 10 kg sind in der Regel möglich, sofern keine Schmerzen auftreten und die Gehfähigkeit sicher ist.

3.2 Ab Woche 8 – Steigerung der Belastung

  • Bei komplikationsfreiem Verlauf können Lasten von 15–20 kg häufig problemlos gehoben werden.
  • Ab 3 Monaten sind viele Patient:innen wieder in der Lage, beruflich oder sportlich höhere Lasten zu bewegen – immer abhängig von der individuellen Fitness.

4. Technik des richtigen Hebens – Schutz für Hüfte und Rücken

Auch wenn das künstliche Gelenk viel aushält, sollte die Hebetechnik stimmen:

  1. Aus den Knien heraus heben, nicht aus dem Rücken.
  2. Last nah am Körper halten.
  3. Beim Aufstehen aus der Hocke nicht ruckartig drehen.
  4. Gleichmäßige Belastung beider Beine.
  5. Bei sehr schweren Lasten: Hilfsmittel oder Unterstützung nutzen.

5. Warum alte Verbote nach Hüftprothese heute fast keine Rolle mehr spielen

Die Angst vor einer Luxation nach einer Hüft-OP war berechtigt – früher. Heute ist sie durch:

  • muskelschonende Zugänge,
  • größere Prothesenköpfe,
  • moderne Implantatmaterialien
    fast vollständig beseitigt.

Dauerhafte Verbote für das Heben sind daher bei gesunden Patient:innen mit moderner Hüftprothese in den allermeisten Fällen nicht mehr nötig.

6. Individuelle Faktoren bleiben entscheidend

Trotz moderner Technik gilt: Jeder Patient ist unterschiedlich. Faktoren wie:

  • Allgemeine Fitness
  • Knochenqualität
  • Begleiterkrankungen
  • Muskelkraft
  • Koordination
    beeinflussen, wie schnell und wie schwer nach der OP gehoben werden kann.

7. Fazit – mit einer Hüftprothese kann man auch heben!

  • Alte Verbote sind heute in den meisten Fällen nicht mehr aktuell.
  • In den ersten 6–8 Wochen sollte das Gewicht auf maximal 5–10 kg begrenzt werden.
  • Danach ist – bei komplikationsfreiem Verlauf – auch schweres Heben wieder möglich.
  • Die richtige Technik schützt nicht nur die Hüftprothese, sondern auch den Rücken.


Wenn Sie eine Hüft-OP planen oder bereits eine Hüftprothese haben und unsicher sind, wie viel Sie im Alltag heben dürfen, sollten Sie sich von echten Spezialisten beraten lassen.

Im ENDOPROTHETICUM Rhein-Main unter der Leitung von Prof. Dr. Karl Philipp Kutzner erhalten Sie eine moderne, individuelle und wissenschaftlich fundierte Beratung zur Belastbarkeit Ihrer Hüfte.

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