Schweres Heben nach Hüftprothese verboten? – Hier sind die Fakten!
Ist schweres Heben nach Hüftprothese wirklich nicht erlaubt?

Von alten Verboten zur modernen Hüftendoprothetik
Wer eine
Hüftprothese bekommen hat, kennt die typischen Sätze, die Patient:innen früher schon am ersten Tag nach der Operation gehört haben:
„Nicht über 90 Grad beugen, nicht schwer heben, Beine nicht kreuzen, keine ruckartigen Bewegungen.“
Diese Verbote waren jahrzehntelang fester Bestandteil jeder Reha-Anweisung nach einer Hüft-OP. Der Grund: Angst vor einer Luxation (Ausrenkung des künstlichen Gelenkes) und vor einer vorzeitigen Abnutzung oder Lockerung der Prothese.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Durch minimal-invasive Operationstechniken, verbesserte Implantatdesigns, moderne Gleitpaarungen und ein tieferes Verständnis für die Belastbarkeit von Prothesen ist vieles, was früher galt, heute schlicht überholt. Auch das Heben von schweren Gegenständen ist – unter bestimmten Voraussetzungen – wieder möglich.
In diesem Artikel erfährst du:
- Woher die strengen Verbote nach einer Hüft-OP ursprünglich kamen
- Wie moderne Implantate und OP-Techniken das Risiko minimiert haben
- Was beim Heben in den ersten Wochen nach einer Hüftprothese zu beachten ist
- Wie viel Gewicht heute realistisch und sicher gehoben werden kann
- Praktische Tipps für den Alltag und den Schutz von Hüfte und Rücken
1. Historische Regeln nach einer Hüftprothese – und ihre Hintergründe
Bis weit ins späte 20. Jahrhundert hinein wurden Patient:innen nach einer Hüft-OP mit einer langen Liste von Verhaltensregeln entlassen. Die wichtigsten waren:
- Nicht schwer heben – oft hieß es: maximal 2–5 kg, lebenslang.
- Nicht über 90 Grad beugen – also z. B. nicht tief sitzen oder Schuhe im Sitzen binden.
- Beine nicht kreuzen – um Verdrehungen im Hüftgelenk zu vermeiden.
- Keine ruckartigen Drehbewegungen – z. B. beim Sport oder beim Umdrehen im Stehen.
Der Hintergrund dieser strengen Verbote lag vor allem in den damaligen medizinischen Rahmenbedingungen:
- Große, offene Operationszugänge: Dabei wurden Muskeln und Sehnen teilweise abgelöst, um an die Hüfte zu gelangen. Das führte zu einer längeren Heilungszeit und geringerer Stabilität in den ersten Monaten.
- Kleinere Prothesenköpfe: Ältere Implantate hatten deutlich kleinere Gelenkköpfe (z. B. 22 mm oder 28 mm Durchmesser) als heute. Dadurch war der Hebelarm kürzer, und das Risiko für eine Luxation deutlich höher.
- Einfachere Gleitpaarungen: Polyethylen mit niedriger Vernetzung verschliss schneller, sodass man Überbelastung möglichst vermeiden wollte.
- Weniger Erfahrung mit Frühbelastung: Damals setzte man auf sehr lange Schonzeiten, da die Langzeitergebnisse von Belastung kaum erforscht waren.
2. Moderne Hüftendoprothetik – warum vieles heute anders ist
In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die Hüft-OP massiv verändert. Heute gilt: Viele der alten Verbote sind überholt. Grund dafür sind vor allem:
2.1 Minimal-invasive Zugänge
- Muskelschonende Operationstechniken wie der anterolaterale oder direkt-anteriorer Zugang vermeiden weitgehend das Ablösen wichtiger Muskeln.
- Das bedeutet: mehr Stabilität sofort nach der OP und ein deutlich geringeres Luxationsrisiko.
2.2 Kurzschaftprothesen
- Kürzere Verankerung im Oberschenkelknochen, anatomisch geformt.
- Geringere Hebelwirkung und physiologischere Kraftübertragung.
- Besonders geeignet für jüngere, aktive Patient:innen.
2.3 Moderne Gleitpaarungen und Materialien
- Keramik-Keramik, Keramik-Polyethylen oder Metall-Keramik-Kombinationen mit hochvernetztem Polyethylen haben extrem geringe Abriebraten.
- Oxidationsbeständige Oberflächen sorgen dafür, dass auch bei höherer Belastung kaum Abrieb entsteht.
2.4 Größere Prothesenköpfe
- Heute meist 32 mm, 36 mm oder sogar 40 mm Durchmesser.
- Das erhöht die Luxationssicherheit erheblich.
Fazit: Dank dieser Entwicklungen können Patient:innen heute wesentlich früher und sicherer wieder aktiv werden – auch was das Heben betrifft.
3. Wieviel Kg darf ich nach Hüftprothese heben?
Früher war das Heben schwerer Lasten nach einer Hüft-OP ein klares Verbot. Heute gilt: Ja, schweres Heben ist möglich – aber zeitlich gestaffelt und abhängig von der individuellen Heilung.
3.1 Die kritische Einheilungsphase (erste 6–8 Wochen)
- Die meisten modernen Hüftprothesen werden zementfrei implantiert.
- In den ersten Wochen muss das Implantat in den Knochen einwachsen (Osseointegration).
- Übermäßige Belastung kann in dieser Phase zu einer Lockerung führen.
Empfehlung für die ersten Wochen:
- 0–4 Wochen: Maximal 5 kg pro Hand (z. B. ein voller Wasserkasten ist zu viel).
- 4–8 Wochen: Bis zu 10 kg sind in der Regel möglich, sofern keine Schmerzen auftreten und die Gehfähigkeit sicher ist.
3.2 Ab Woche 8 – Steigerung der Belastung
- Bei komplikationsfreiem Verlauf können Lasten von 15–20 kg häufig problemlos gehoben werden.
- Ab 3 Monaten sind viele Patient:innen wieder in der Lage, beruflich oder sportlich höhere Lasten zu bewegen – immer abhängig von der individuellen Fitness.
4. Technik des richtigen Hebens – Schutz für Hüfte und Rücken
Auch wenn das künstliche Gelenk viel aushält, sollte die Hebetechnik stimmen:
- Aus den Knien heraus heben, nicht aus dem Rücken.
- Last nah am Körper halten.
- Beim Aufstehen aus der Hocke nicht ruckartig drehen.
- Gleichmäßige Belastung beider Beine.
- Bei sehr schweren Lasten: Hilfsmittel oder Unterstützung nutzen.
5. Warum alte Verbote nach Hüftprothese heute fast keine Rolle mehr spielen
Die Angst vor einer Luxation nach einer Hüft-OP war berechtigt – früher. Heute ist sie durch:
- muskelschonende Zugänge,
- größere Prothesenköpfe,
- moderne Implantatmaterialien
fast vollständig beseitigt.
Dauerhafte Verbote für das Heben sind daher bei gesunden Patient:innen mit moderner Hüftprothese in den allermeisten Fällen nicht mehr nötig.
6. Individuelle Faktoren bleiben entscheidend
Trotz moderner Technik gilt: Jeder Patient ist unterschiedlich. Faktoren wie:
- Allgemeine Fitness
- Knochenqualität
- Begleiterkrankungen
- Muskelkraft
- Koordination
beeinflussen, wie schnell und wie schwer nach der OP gehoben werden kann.
7. Fazit – mit einer Hüftprothese kann man auch heben!
- Alte Verbote sind heute in den meisten Fällen nicht mehr aktuell.
- In den ersten 6–8 Wochen sollte das Gewicht auf maximal 5–10 kg begrenzt werden.
- Danach ist – bei komplikationsfreiem Verlauf – auch schweres Heben wieder möglich.
- Die richtige Technik schützt nicht nur die Hüftprothese, sondern auch den Rücken.
Wenn Sie eine Hüft-OP planen oder bereits eine Hüftprothese haben und unsicher sind, wie viel Sie im Alltag heben dürfen, sollten Sie sich von echten Spezialisten beraten lassen.
Im ENDOPROTHETICUM Rhein-Main unter der Leitung von Prof. Dr. Karl Philipp Kutzner erhalten Sie eine moderne, individuelle und wissenschaftlich fundierte Beratung zur Belastbarkeit Ihrer Hüfte.
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